Montag, 30. März 2015

KEIN GANZ NORMALER TÖRN, Teil 13: Um Mallorcas Südküste. Von Alcudianach Palma de Mallorca.

"F*ck cancer go sailing" ist das Motto von Marc Naumann's Organisation SEGELREBELLEN, die es jungen, an Krebs erkrankten Erwachsenen ermöglicht, Segeln zu gehen. Mare Più begleitet ihn auf seiner Jungfernfahrt mit der Segelyacht ROXANNE. Lesen Sie auf Mare Più und auf Marc's Blog SEGELREBELLEN, wie es zugeht. Auf diesem KEIN GANZ NORMALER TÖRN. Von Marseille nach Mallorca.


Es ist der Tag nach dem Mistral. Der Regen hat aufgehört, ist einfach verschwunden. Und mit ihm die Kälte und das Grau. Die Sonne lugt durch die Wolkendecke. Aber am faszinierendsten an diesem Tag: ist die Farbe des Meeres. Nach dem Regen ist es von irritierend intensivem Grün, ein Blaugrüngrau, das ich an den Küsten der nördlichen Adria, in Venedig, so sehr liebe. Vielleicht hat es damit zu tun, dass der Mistral das Meer bis zum Grund aufgewühlt hat. Vielleicht hat der lange Regen allerlei feine Sedimente vom langen Sandstrand Alcudias ins Meer gespült. Vielleicht haben sich die Wellen, die der Mistral ans Ufer trieb, auch feine Teilchen vom Land zurückgeholt, die das Meer nun grün schimmern lassen, dort, wo die Sonne es schafft, ihr Licht bis ins Wasser hinunter zu werfen.


Als wir morgens aus dem Hafen von Alcudia hinausgleiten, ist es ruhig. Ein Hauch in der Luft, kaum Welle, es lohnt nicht, daran zu denken, Großsegel oder Genua auszupacken. ROXANNE schnürt unter Motor langsam durch die Bucht von Alcudia, während die Crew dabei ist, Fender und Festmacher zustauen, ein Gewusel im Cockpit und an Deck, Leute, die durcheinander laufen, dicke blaue Gummifender und schwarze Trossen schleppend. Der Redakteur vom Landessender, der gestern an Bord kam, selber Jollensegler am Chiemsee, packt sein Mikrofon aus. Ein ehrfurchtgebietendes Teil mit großem großem blauen Überzug, auf dem in Weiß groß das Logo des Landessenders prangt. Der Redakteur möchte ein Radiofeature machen. Er nimmt zuerst Geräusche auf, die Wellen. Dann interviewt er Marc, den Gründer der SEGELREBELLEN und Initiator der Reise. Dann spricht er die Mitsegler an. Er macht es gut, jovial, ein netter Kerl. Das Mikrofon mit dem mächtigen blauen Überzieher bewegt er dabei langsam von sich zum Sprecher hin. Fast eine majestätische Bewegung, mit der er das Wort erteilt. Wer weiß, welcher Edmund, welcher Horst da schon wichtige Sätze hineingesprochen hat, in das große blaue Mikrofon.


Kaum sind wir vorbei an der Illa de Alcanada und langsam draußen aus der Bucht von Alcudia, ändert sich alles. Die Morgenbewölkung ist verschwunden, das Meer liegt da wie ein blausamtener Teppich, nur noch ein leichter Stich ins Grün, und wiederum ists so: wenn es einen Menschen gäbe mit dieser Augenfarbe: ich wäre hin und weg, verloren.

Noch eins hat sich geändert. Zwar weht immer noch kein Wind. Aber kaum ist auf Höhe von Cap de Menorca der Schutz nach Norden, die Landabdeckung weg: kommt gewaltiger Schwell daher aus Norden. Der Mistral hat ihn aufgebaut: Lange Roller, haushoch, Hügelkämmen gleich, rollen fast wie Atlantikwellen auf ROXANNE seitlich zu, neigen sie zur Seite, heben sie gleichzeitig hoch, laufen unter ROXANNE durch und setzen ROXANNE dann sanft wieder im nächsten Hügeltal ab. Man kann hinaufschauen, wenn die Hügelkämme anrollen, ein faszinierendes Bild, wenn man auf dem Gipfel eines Hügelkammes schon 200 Meter weiter nördlich den nächsten anrollen sieht. Ein unglaubliches Bild.


ROXANNE ist dem allem wehrlos ausgeliefert. Trotz Stützsegel und Motor läuft sie auf Ostkurs und geigt, was das Zeug hält, schwankt von liiiiiiiiiiiinks nach reeeeeeeeechts und wieder nach liiiiiiiiiiinks und wieder nach reeeeeechts. Und munter so weiter. Der Crew der ROXANNE macht das wenig aus. Andrea und Susanne parlieren munter unter Deck, Susanne immer strahlend mit bewegten Gesten. Andrea eher gestenarm, dafür röhrt das Ruhrpott-Mundwerk geschliffen aus dem Schiffs-Inneren, von tief unter Deck. Felix dreht sein Zigarettchen, um sich dann gleich die Kamera unter den Arm zu klemmen und damit aufs Vordeck zu jumpen. Jo und Marc unterhalten sich über die Vorzüge von 49-Fuß-Yachten. Hauke hat zur Freude aller im beachtlichen Gegeige noch eine Tüte Chips in seiner Koje entdeckt. Die verteilt er, während das Schiff beträchtlich schwankt, zum Ergötzen aller, und zum Nachtisch reicht er etwas SKIPPER MIX-Lakritz. Was fröhlich mampfend von allen gerne genommen wird. 
Nur dem Redakteur, dem geht es schlecht. Er hängt über dem Heck. Und ist für den Rest des Tages nicht mehr zu gebrauchen. Aber wie Andrea so schön in einem früheren Beitrag sagte: "Kotzen, das hab ich nun wirklich in eineinhalb Jahren Chemo gelernt", deshalb hat sie Mitleid mit dem Redakteur. Macht für ihn eine Cockpit-Bank frei. Bettet ihn darauf. Holt für ihn einen wärmenden Schlafsack. Und ein Kissen. Setzt sich neben ihn. Redet ihm, der geschwächt zwischen Schlafsack und Mütze hervorlugt, gut zu. Es ist weiß Gott nicht das erste Mal auf diesem Törn, dass die, die eigentlich krank und elend sein müßten, den vermeintlich Gesunden zeigen: wo der Hase lang läuft.


Am Cap des Freu ändert sich der Kurs fast auf Süd. Die Hügelkämme treffen nun die ROXANNE fast im Heck, die Schiffsbewegungen werden andere. Zuerst wird die ROXANNE nun beschleunigt, dann achtern angehoben, dann läuft die Welle mitschiffs durch, läßt das Heck ins Hügeltal fallen und hebt den Bug mächtig an, alles von gewaltigem Rauschen begleitet. Die 49-Fuß-Yacht: fast ein Stückchen Treibholz im großartigen Schwell. 
Unter Deck ists kaum auszuhalten, Susanne ist unten, rhabarbert strahlend mit großen Bewegungen und wem auch immer. Anna quietscht vergnügt. Andrea kümmert sich rührend um den Redakteur, der nun meint, dass es ihm unten vielleicht besser ginge. Hauke taucht von unten auf, blickt traurig und sinnend über die Vergänglichkeit der Welt auf ein Zipfelchen französischer Salami, das er sich in seiner und Anna's Koje für schwierige Zeiten aufbewahrt hat. Und das nun schimmelt. 
Und ich denke mir: mit dieser Crew könnt' ich jetzt segeln bis ans andere Ende der Welt.


Es ist Nachmittag geworden. Der Schwell hat sich beruhigt. Und auch auf dem Schiff ist Ruhe eingekehrt. Nur der Wind: der läßt sich nicht mehr blicken. Und so motoren wir weiter südwärts, Tagesziel Porto Petro, das wir im Dunkel hinter dem blinkenden Leuchtfeuer erreichen.

Am frühen Morgen des nächsten Tages geht es weiter. Filmaufnahmen stehen an, Außenaufnahmen. Denn: Aus unserem Törn soll ein richtig guter Film werden. Felix ist mit seinem ganzen Equipment zu Beat aufs Boot gegangen, sie begleiten uns, Felix filmend. Und während wir Wenden fahren für Felix, schreien, johlen wir unsere Freude hinaus, unsere Freude darüber, einfach am Leben zu sein. Und erlebt zu haben, was wir in diesen 10 Tagen erlebt haben.

Ein langer Weg. Von Port Saint Louis nach Palma de Mallorca. Und KEIN GANZ GEWÖHNLICHER TÖRN.

Port Saint Louis. Eine desindustrialisierte Landschaft des Rhone-Deltas sucht nach Zukunft.
Marseille. Stadt im Aufbruch. Und Segelclub in Trauer.
Golfe de Lion. Eine phantastische Schlechtwetter-Überfahrt, die Individuen zu einer Crew zusammenschweißt.
Barcelona. Ankunft in der Moderne.
Mallorca. Noch einmal: 20 Stunden Überfahrt im Schlechtwetter.

Die Sonne ist längst weg, als die Großstadt Palma de Mallorca in Sicht kommt. Langsam laufen wir in die Bucht ein, dann in den Hafen, dann in den CLUB REAL NAUTICO DE MALLORCA.
Was ist es, was das Herz zusammenzieht, wenn die Bucht immer enger wird? Und das Meer immer weniger? Wenn die Ufer immer näher aneinanderrücken und das Meer unweigerlich endet?

Und so stehen wir im Dunkel auf der Pier. Marc, Hauke, Anna, Jo, Andrea, Susanne, Felix. Und trinken auf glückliche Heimkehr. Von einem Törn, der KEIN GANZ GEWÖHNLICHER TÖRN war.







Marc blogt über diese Reise zeitgleich auf seinem Blog SEGELREBELLEN.


                                                                         Weiterlesen bei: Der Anfang dieser Geschichte. Hier.
                                                                         Weiterlesen bei: Über den Golf de Lion. Hier.
                                                                         Weiterlesen bei: Von Barcelona nach Mallorca. Hier
                                                                         Weiterlesen bei: Segeln mit Nichtseglern. Hier.


... und weil diese Reise KEIN GANZ NORMALER TÖRN ist: bitte ich die Leser von MARE PIU, unsere beiden Posts möglichst an viele andere Interessierte weiterzuleiten. 
Um Marc und seine Idee zu unterstützen. 
Danke.



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